Der privat versicherte Mann, der sich Anfang 2019 bei der SPO meldete, wusste schon seit fünf Jahren, dass sich in seinem Harntrakt ein kleiner Nierenstein gebildet hatte. Jedoch hatte er damit stets beschwerdefrei gelebt, und Warnsymptome wie stechende Schmerzen oder eine Harnleiterentzündung waren nicht aufgetreten. Dennoch riet sein Urologe dem Mann zu einer Operation – und übersah dabei ein anderes Warnsignal: Das Gewebe war in der betroffenen Körpergegend stark verwachsen.

Zwei Operationen später hat der Mann immer noch Nierensteine. Immerhin geht es ihm nicht schlechter als vorher, aber genützt haben die Eingriffe nichts. Dass bei Privatpatienten «im Zweifel operiert» werde, da dies für Spitäler lukrativ ist und «die Versicherung zahlt», mag ein Klischee sein. Doch das Phänomen der Überbehandlung ist statistisch mittlerweile gut belegt – und dieser Fall illustriert exemplarisch, wie Überbehandlung im medizinischen Alltag aussieht: Meist führt sie nicht zur grossen Katastrophe, es werden «nur» unnötige Kosten und Risiken erzeugt. So stellen wir uns ein patientenorientiertes Gesundheitswesen nicht vor – und setzen uns deshalb gegen Über- und Unterbehandlung aus finanziellen Beweggründen ganz besonders ein.