Anlässlich des Weltgesundheitstags am 7. April haben wir über die Bedeutung eines gesunden Starts ins Leben gesprochen – unter dem Motto „Gesunde Anfänge, hoffnungsvolle Zukunft“. Dabei haben wir betont, wie wichtig es ist, dass Frauen und Paare selbstbestimmt über die Versorgung rund um die Geburt entscheiden können.

In unserer Beratungsarbeit erleben wir jedoch immer wieder, dass die Realität für viele Mütter anders aussieht. Besonders nach schwierigen Geburten berichten Frauen, dass sie sich überfordert und schlecht informiert gefühlt haben – sei es bei Interventionen, Komplikationen oder im Umgang mit Schmerzen. Viele wussten nicht, was auf sie zukommen könnte, oder fühlten sich in stressigen Momenten allein gelassen.

Das wirft zentrale Fragen auf:
Wie können werdende Eltern besser vorbereitet werden? Welche Informationen fehlen häufig? Und wer trägt die Verantwortung dafür, dass Eltern verstehen, was während der Geburt geschieht – auch in kritischen Situationen?

Um diese Fragen zu beleuchten, haben wir mit der Hebamme Barbara Stocker gesprochen. Im Interview gibt sie wertvolle Einblicke in die Herausforderungen der Geburtshilfe und zeigt auf, was es braucht, damit Eltern sich sicher und gut begleitet fühlen:

1) Welche spezifischen Informationen fehlen Ihrer Meinung nach häufig vor- und während der Geburt, die für werdende Eltern wichtig wären?
Werdende Eltern bereiten sich unterschiedlich auf die Geburt ihres Kindes vor. Einige besuchen Kurse, setzen sich frühzeitig sehr intensiv damit auseinander, wie und wo ihr Kind zur Welt kommen soll. Sie sammeln gezielt Informationen und entscheiden sich dann für den Geburtsort. Andere Eltern wollen nicht so viel wissen. Sie gehen die Geburt eher nach dem Motto: «Millionen von Frauen haben dies geschafft, also werde ich die Geburt schon irgendwie überleben». Egal, wie sich werdende Eltern vorbereiten: sie dürfen immer fragen, wieso welche Interventionen gemacht werden. Im Zweifelsfall soll unbedingt gefragt werden, welche Alternativen es gäbe und welche Chancen und Risiken die Interventionen gegenüber dem Abwarten hätten.  Lehnt eine Frau eine Intervention ab, muss dies akzeptiert werden. Die gängigen Patientenrechte gelten auch für Gebärende (siehe auch: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/medizin-und-forschung/patientenrechte/rechte-arzt-spital.html). Es lohnt sich, allenfalls in einem sogenannten Geburtsplan aufzuschreiben, was einem besonders wichtig ist.

Informationen zum Schmerzmanagement sind ein wichtiges Thema in der Vorbereitung. Jede Gebärende sollte sich Gedanken darüber machen, wie sie mit dem Geburtsschmerz umgehen möchte. Ist es mir wichtig, Unterstützung zu erhalten, um die Geburt möglichst ohne Schmerzmittel zu bewältigen – selbst in den grössten Krisen? Oder bin ich eher der Typ Gebärende, die weiss, dass sie die Schmerzen nicht ertragen möchte und frühzeitig eine Periduralanästhesie zur Linderung braucht? Das ist ein Thema, das Paare gemeinsam besprechen sollten. Grundsätzlich gilt: Je besser ich weiss, was mir wichtig ist – und je klarer ich dies gegebenenfalls auch kommuniziere –, desto einfacher ist die Betreuung für das Fachpersonal.

Beim ersten Kind ist werdenden Eltern oft noch nicht ganz klar, was ihnen während der Geburt wichtig ist. Haben Frauen Erfahrungen mit Gewalt oder sexuellen Übergriffen gemacht, kann die Vorstellung, vaginale Untersuchungen ertragen zu müssen, kaum auszuhalten sein. Solche Informationen sind für das betreuende Team sehr wichtig. Beim Thema Einleitung können folgende Überlegungen wichtig sein: Viele Geburten werden eingeleitet. Manchmal tritt die Wirkung der zur Einleitung verwendeten Medikamente sehr plötzlich und sehr heftig ein. Darauf sollte eine Frau vorbereitet sein.  Es gibt auch mechanische Methoden, um Wehen auszulösen. Hier ist es aus meiner Sicht wichtig, dass sorgfältig darüber aufgeklärt wird, dass vaginale Untersuchungen notwendig und möglicherweise schmerzhaft sind. Werdende Eltern sollten möglichst umfassend darüber informiert werden, warum eine Einleitung empfohlen wird.

2) Welche sind die häufigsten Komplikationen, die während einer Geburt auftreten können und wie wirken sich diese auf die Eltern aus?
Schwere Komplikationen sind zum Glück sehr selten.

Mütterlicherseits gefürchtet sind vor allem schwere Blutungen oder Erkrankungen, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft auftreten können – zum Beispiel die sogenannte Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie) –, da sie eine bisher gesunde Frau in eine schwerkranke Patientin verwandeln können. Auch grosse Dammverletzungen, Infektionen oder Wundheilungsstörungen nach einem Kaiserschnitt können die Gesundheit einer Frau ernsthaft beeinträchtigen.

Zu den kindlichen Komplikationen zählt beispielsweise die Schulterdystokie – eine Situation, in der das Kind nach der Geburt des Kopfes im Geburtskanal stecken bleibt. Auch ein Sauerstoffmangel während der Geburt kann eine ernsthafte Gefahr darstellen. Solche Ereignisse können für die Eltern schockierend und traumatisierend sein. Ihre Verarbeitung braucht Zeit, Gespräche – und allenfalls sogar eine therapeutische Begleitung.

3) Wie können werdende Eltern bereits in der Schwangerschaft auf mögliche Komplikationen vorbereitet werden, ohne unnötige Ängste zu schüren? Wer ist dafür verantwortlich?
Es ist eine gewisse Gratwanderung zwischen dem Vertrauen in die Fähigkeiten des eigenen Körpers – beziehungsweise in das Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind, das in der Regel hervorragend funktioniert – und dem Respekt vor der Geburt sowie den möglichen, wenn auch seltenen Komplikationen. Wenn sich Frauen oder Paare ausschliesslich mit möglichen schweren Komplikationen beschäftigen, kann das grosse Ängste auslösen und den Geburtsverlauf komplett blockieren. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten geht verloren. Wichtig scheint mir, dass Frauen oder Paare das Gespräch mit der betreuenden Hebamme oder Ärztin bzw. dem Arzt suchen. Zweifel und Sorgen sollen offen ausgesprochen werden dürfen. Nur so ist eine informierte Entscheidung möglich – über den Weg, der für sie persönlich am stimmigsten ist. Trotz aller Vorbereitung bleibt eine Tatsache: Es gibt keine Garantie auf Unversehrtheit – und auch nicht auf ein gesundes Kind. Das klingt hart, bringt jedoch die Realität auf den Punkt: Auch im Jahr 2025 bleibt die Geburt ein Vorgang, der viel Unvorhergesehenes mit sich bringen kann – nicht alles ist plan- oder kontrollierbar.

Manchmal wünscht sich eine Frau einen Kaiserschnitt, weil sie sich die Geburt nicht zutraut. Das ist ihre persönliche Entscheidung – und aus Sicht der Selbstbestimmung in Ordnung. Wunschkaiserschnitte werden kontrovers diskutiert, und es ist immer wieder ein Thema, ob die Krankenkassen solche – möglicherweise medizinisch nicht notwendigen – Eingriffe übernehmen sollen. Ethik und Recht prallen manchmal tatsächlich aufeinander. Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzte haben in jedem Fall die wichtige Aufgabe, sorgfältig aufzuklären, aufmerksam zuzuhören und gemeinsam mit den werdenden Eltern herauszufinden, was sie in dieser Situation brauchen.

Im besten Fall kennen sich die werdenden Eltern und das betreuende Team bereits so gut, dass die Gebärende sagen kann: «Was immer kommt, ich vertraue darauf, dass ich in guten Händen bin.»

Viele Kliniken bieten Informationsanlässe an, zeigen ihre Räumlichkeiten und stellen das Team sowie die geburtshilfliche Philosophie vor. Dabei können Fragen gestellt werden. Manchmal lohnt es sich, auf das eigene Bauchgefühl zu hören: Fühle ich mich hier wohl?

4) Welche Rolle spielen Hebammen und Ärzte dabei, den Eltern in stressigen Momenten – wie z.B. bei unvorhergesehenen Komplikationen – zu erklären, was passiert und warum?
Es gibt sehr seltene Notfallsituationen, in denen keine Zeit für ein aufklärendes Gespräch bleibt – etwa wenn ein Notfall-Kaiserschnitt erforderlich ist. Im Fachjargon spricht man von einer Blitz-Sectio, bei der das Kind innerhalb weniger Minuten geboren werden muss. Eine ausführliche Aufklärung ist in solchen Momenten kaum möglich. Umso wichtiger sind in solchen Situationen die Nachbesprechungen.

In den meisten hektischen Momenten bleibt dennoch ein kurzer Augenblick, um zu erklären, was gerade geschieht, welche Schritte nun nötig sind – und welche Konsequenzen ein Nicht-Handeln hätte. Zu allen Interventionen darf eine Frau grundsätzlich auch nein sagen. Das ist wichtig. Auch bei unvorhergesehenen Komplikationen ist eine Einwilligung der Frau erforderlich. Nur selten lehnt eine Gebärende eine Intervention ab – meist geht es unmittelbar um die Gesundheit des Kindes oder um die eigene. Wichtig ist: Ein Nein kann das betreuende Team in ein grosses Dilemma bringen – denn grundsätzlich steht der Versuch im Vordergrund, das Leben von Mutter und Kind zu retten. Kontrovers diskutiert wird, ob eine Frau unter Wehen voll urteilsfähig ist – ein abschliessendes Urteil dazu gibt es bisher nicht. Aus der Perspektive von Zwang in der Geburtshilfe und dem Gewalterleben braucht diese Fragestellung dringend eine Klärung.

5) Was können Eltern tun, um sich besser auf unerwartete Situationen vorzubereiten, und welche Ressourcen (wie Kurse, Beratungen oder Literatur) stehen ihnen zur Verfügung?
Es gibt eine grosse Bandbreite an Geburtsvorbereitungskursen. Welche Form der Vorbereitung individuell am besten passt, sollte idealerweise im Gespräch geklärt werden. Idealerweise nehmen werdende Eltern bereits früh in der Schwangerschaft Kontakt zu einer Hebamme auf. Hebammen können in der Regel über verschiedene Kursangebote informieren. Sie wissen meist auch gut Bescheid, in welcher Klinik es beispielsweise Beleghebammen gibt, wie weit das nächste Geburtshaus entfernt ist und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um allenfalls ausserklinisch zu gebären.

Der Schweizerische Hebammenverband bietet auf seiner Webseite einen eigenen Bereich für Eltern. Dort finden werdende Eltern eine nationale Hebammensuche sowie zahlreiche hilfreiche Informationen.

Auch die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe stellt auf ihrer Webseite Informationen für werdende Eltern zur Verfügung.

Zum Thema Beckenboden gibt es eine interdisziplinär erarbeitete Informationsbroschüre der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

In einigen Städten werden spezielle Geburtsvorbereitungskurse für Frauen mit Migrationshintergrund angeboten (siehe auch: https://www.mamamundo.ch/de/).

In Deutschland gibt es Mother Hood e.V. – eine engagierte Patientinnen- und Elternorganisation, die sich für sichere Geburten und eine verbesserte Geburtshilfe einsetzt. Dort finden sich zahlreiche hilfreiche Informationen, die zur Aufklärung beitragen und beispielsweise dabei unterstützen, die «richtigen» Fragen zu stellen. Im Angebot sind auch Online-Geburtsvorbereitungskurse.

Swissmom ist eine grosse Plattform in der Schweiz, die ebenfalls Informationen rund um die Geburt zur Verfügung stellt.

6) Welche Unterstützung brauchen Eltern, wenn sie nach der Geburt emotional mit den Auswirkungen einer schwierigen Geburt oder Komplikationen umgehen müssen, und wer kann diese Unterstützung leisten?
Häufig erzählen Frauen oder Eltern der Hebamme während der Wochenbettbetreuung von der Geburt – oder die Hebamme fragt gezielt nach, wie die Geburt erlebt wurde und wie es mit dem Verarbeiten geht. Die psychische Gesundheit ist ein wichtiger Bestandteil der Hebammenarbeit. Zeigt sich, dass die Geburt als belastend erlebt wurde, ist es ratsam, das Gespräch mit der betreuenden Klinik zu suchen. Oft braucht es etwas Zeit, bis eine Frau oder auch der Partner bzw. die Partnerin bereit ist, über das Erlebte zu sprechen. Manchmal reicht ein klärendes Gespräch im Rahmen der Verarbeitung bereits aus. In anderen Fällen benötigen Eltern psychologische Unterstützung, um das Erlebte aufzuarbeiten. Der Verein Postpartale Depression Schweiz stellt vielfältige Informationen zur Verfügung und betreibt auch ein Beratungstelefon.

Ebenfalls helfen kann die Schweizerische Patientenorganisation SPO.

7) Welche Bestrebungen gibt es auf nationaler Ebene, um werdenden Müttern und Eltern mehr Mitbestimmung bei der Geburt zu ermöglichen?
Es gibt keine nationalen Bestrebungen oder gar eine Strategie, um werdenden Eltern mehr Mitbestimmung bei der Geburt zu ermöglichen. Es gibt jedoch verschiedene Forschungsarbeiten zur Thematik, die hoffentlich dazu beitragen, dass das Thema aufgenommen wird und Eltern die Unterstützung erfahren, die sie brauchen (siehe auch: Uni Basel: Rechte von Gebärenden; Berner Fachhochschule: Zwang bei der Geburt).

Seit etwas mehr als zehn Jahren trauen sich immer mehr Frauen, über ihre negativen Erfahrungen rund um die Geburt zu sprechen. Am «Roses Revolution Day», einem weltweit stattfindenden Aktionstag gegen Gewalt in der Geburtshilfe, wird ein Zeichen für eine gewaltfreie Geburt gesetzt. Frauen legen vor jenen Kliniken, in denen sie Gewalt erfahren haben, Rosen nieder. Die niedergelegten Rosen – ebenso wie die Berichte betroffener Frauen in den Medien – machen betroffen und rütteln auf (siehe auch: srf-Beitrag: Gewalt unter der Geburt). Viele Kliniken greifen die Anliegen werdender Eltern verstärkt auf und überdenken interne Richtlinien, Weisungen und Aufklärungsprotokolle. Vermehrt werden Frauen aktiv zu Nachbesprechungen eingeladen.

In der Schweiz fehlt nach wie vor eine klare Institution oder Organisation, die sich gezielt für sichere Geburten und die Rechte von Frauen und Familien einsetzt. Patientenorganisationen könnten in Teilen unterstützen – doch insgesamt wird das Thema nach wie vor zu stiefmütterlich behandelt. Für eine bessere geburtshilfliche Versorgung in der Schweiz braucht es eine Vielzahl an Massnahmen: Dazu gehören etwa eine wohnortnahe Versorgung, bessere Personalschlüssel in den Gebärabteilungen, die systematische Erfassung von Geburtsschäden bei Mutter und Kind sowie Investitionen in eine evidenzbasierte Geburtshilfe. Ebenso wichtig sind die Stärkung der Kinder-, Frauen- und Patient:innenrechte sowie die Förderung von Prävention und Gesundheitskompetenz. Da gibt es in der Schweiz noch viel zu tun.

8) Welche Empfehlungen würden Sie werdenden Eltern geben, um sich selbstbestimmter in den Geburtsprozess einzubringen, sowohl im Vorfeld als auch während der Geburt?
Es lohnt sich, frühzeitig eine Hebamme zu suchen und sich auf die Geburt vorzubereiten – denn es ist nicht egal, wie wir geboren werden.

Bild: cynthia_groth @Pixabay