In einem komplexen Gesundheitssystem gibt es viele mögliche Fehlerquellen. Das gilt auch für falsch verschriebene oder dosierte Medikamente. Gefordert sind Änderungen auf struktureller Ebene, Sie könnenaber auch als Patient:in etwas beitragen.

Medikamente, die in der Schweiz vertrieben und verschrieben werden, sind dank strengen Kontrollen sehr sicher. Aber im Prozess von der Diagnose bis zur Verabreichung geschehen doch immer wieder Fehler, teilweise auch gefährliche.

Die wichtigsten Probleme sind:

  • Schnittstellen: Zwischen verschiedenen Fachpersonen ist der Dokumentationsfluss nicht immer sichergestellt.
  • Ältere und chronisch erkrankte Patient:innen nehmen oft mehrere Medikamente gleichzeitig: Das erhöht die Gefahr unerwünschter Wechselwirkungen.
  • Mangelnder Einbezug und «sich einbringen» der Patient:innen.


Wo ist die Digitalisierung, wenn man sie braucht?
Die meisten Medikationsfehler passieren somit auch an Schnittstellen, zum Beispiel beim Spitaleintritt und -austritt oder generell, wenn eine andere Fachperson – ein Spezialist, Psychiater, Apotheker usw. – ins Spiel kommt. Zwar gibt es Kontrollmechanismen an den Spitälern und im ambulanten Bereich die Apotheken als Kontrollstellen. Doch dass nach wie vor nicht alle Daten zu einer Patient:in an einer Stelle zentral zusammenlaufen, erschwert die Aufgabe. «Das Gerüst des Gesundheitswesens – insbesondere der Fluss der Informationen – hat mit den Entwicklungen nicht Schritt gehalten», fasst Dr. Alessandra Moscaroli von der Stiftung Patientensicherheit Schweiz zusammen.

Abhilfe verspricht die Digitalisierung. In den Niederlanden, wo zum Beispiel das EPD (elektronisches Patientendossier) vollumfänglich umgesetzt ist, müssen Apotheken vor der Herausgabe eines Medikaments die elektronische Patientenkarte einscannen und mögliche Wechselwirkungen anhand des darauf gespeicherten Medikationsplans prüfen. In der Schweiz sind wir leider noch nicht so weit – der eMediplan ist aber ein erster Schritt in diese Richtung.

Ältere und chronisch erkrankte Menschen stärker gefährdet
Viele chronisch erkrankte Menschen und sogar 86 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen nehmen täglich mehrere Medikamente ein. Das erhöht das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen. «Ab etwa vier oder fünf Medikamenten ist es unwahrscheinlich, dass es keine Wechselwirkungen zwischen den Wirkstoffen gibt», sagt Alessandra Moscaroli.

Umso wichtiger ist die präzise Verschreibung, genaue Dosierung und kontinuierliche Begleitung. Diese ist aber nicht immer gegeben: 79 Prozent der in Pflegeheimen lebenden Menschen nehmen mindestens eine potenziell inadäquate Medikation (PIM) ein, rund die Hälfte erhält Medikamente, die unnötig sind oder ihnen sogar mehr schaden als nutzen. Zu selten werden nicht mehr benötigte Medikamente abgesetzt.

Ein Grund: Nicht immer gibt es feste Heimärzte, welche die Patient:innen kontinuierlich begleiten. Umso unverzichtbarer wäre eine strukturierte Überprüfung in regelmässigen Zeitabständen und zusätzlich, wenn ein neues Medikament verordnet wird. Angesichts des Personalmangels in der Pflege bei gleichzeitig steigender Komplexität der Betreuung ist das eine Herausforderung.

Was Patient:innen tun können
Auch Patient:innen und ihre Angehörigen können zu einer richtigen Medikation beitragen. Rund 40 Prozent der Patient:innen nehmen ihre Medikamente nicht oder nicht richtig ein. Für Alessandra Moscaroli kommt es darauf an, wie man mit Verunsicherung umgeht: «Sätze wie ‹Entschuldigung, ich habe das nicht verstanden› hört man in der Schweiz relativ selten.
Fragen Sie nach: Sie haben Anrecht darauf, verständlich informiert zu werden.» Auch wenn Sie Bedenken gegen ein verschriebenes Medikament haben, ist es besser, diese Bedenken zu äussern, als das Medikament einfach nicht zu nehmen. Nicht selten gibt es Alternativen, manchmal helfen weitere Erläuterungen. Und manchmal kann Ihr Insistieren ein Missverständnis beseitigen und damit einen Medikationsfehler frühzeitig verhindern.

Mehr informationen finden Sie auch in unserer Broschüre: „Ihre Rechte beim Bezug von Medikamenten – Information für Patient:innen“.