Walter Stauffacher arbeitete 30 Jahre lang in Führungspositionen bei grossen Unternehmen und ordnete dem Beruf vieles unter. Bis sein Körper die Notbremse zog. Fast völlig verstopfte Herzkranzgefässe, fünffacher Bypass, dann zwei Jahre Depression. Die Lehren aus diesem Schock will er nun im SPO-Patientenbeirat einbringen.

Bitte stelle dich in ein paar kurzen Sätzen vor.
Ich bin ein Glarner Bergler mit Weitblick. Ich brauche die Berge, liebe ausgedehnte Wanderungen dort, war aber immer auch ehrgeizig und wollte mehr sehen von der Welt. Man kann sagen, das ist mir mit einer Karriere in mehreren Branchen und unfreiwillig mit meiner Krankengeschichte gelungen. Ich reise gern, unter anderem mit dem Wohnmobil, und bin mit grosser Freude Grossvater. Ausserdem habe ich eine musische Ader, spiele Orgel und alles, was Tasten hat. Als Wert ist mir Integrität besonders wichtig.

Was ist dein Background, dein Werdegang?
Ich habe als Elektroingenieur angefangen, bin dann in der Telekommunikationsbranche bis ins Management aufgestiegen und habe dort und später im NGO-Bereich 30 Jahre klassisch Karriere gemacht. Eine wegweisende Horizonterweiterung war dann für mich ein berufsbegleitendes Nachdiplomstudium in Change Management. Kulturelle Veränderungen in Unternehmen und Organisationen, etwa bei Umorganisationen, Fusionen oder Generationenwechseln, sind eine wichtige, spannende, aber auch enorm komplexe Aufgabe, die mich bis heute begleitet – nach meiner grossen Herzoperation mit ihren Folgen hatte ich den Job verloren und arbeite heute maximal 30 Prozent als selbständiger Coach und Berater und kann so, meine Erfahrung in solche Prozesse erfolgreich einbringen.

Wie hat deine Krankheit dein Leben verändert?
Ich komme aus einem engen Bergtal, wo man nicht krank, nicht schwach zu sein hatte. Mein Geist hat mir befohlen, was ich zu tun hatte, und der Körper hatte zu funktionieren. Ich war hart zu mir selbst und sicher manchmal auch zu anderen. Durch meine Krankengeschichte habe ich meinen Lebensstil komplett umgestellt, achte auf Bewegung, Erholung und Ernährung. Ich bin aber auch viel empathischer geworden, nehme Menschen ernst, die nicht „funktionieren“. Früher verhielt ich mich gegenüber Schwäche eher hart, auch in Leitungsverantwortung. Körperlich bin ich wieder weitestgehend gesund, aber viel vulnerabler als vor meinen grossen Operationen. Das sehe ich aber auch als Chance und etwas Gutes.

Was hat dich dazu bewogen, dich im Patientenbeirat zu engagieren?
Auch im Umgang mit Patient:innen braucht es eine kulturelle Veränderung. Das Gespräch zwischen Patient:in und Fachperson kommt heute zu kurz: Wegen des Kostendrucks, manchmal auch wegen mangelnder Sozialkompetenz, aber auch, weil diese Komponente in der ärztlichen Ausbildung wohl kaum Thema ist. Die lateinischen Begriffe, die für Laien unlesbaren Arztberichte – die Kultur in der Medizin macht es Patient:innen schwer, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Wie in Unternehmen gilt auch hier: Man kann so eine kulturelle Veränderung nicht von heute auf morgen erzwingen. Ich stelle mich schon länger für Fallbesprechungen in ärztlichen und pflegerischen Ausbildungsprozessen zur Verfügung und versuche so, ein kleines Stück beizutragen, künftige Fachpersonen für die Dimension der «Soft Skills» zu sensibilisieren. In diesem Sinn will ich mich auch als Patientenbeirat einsetzen.

Darüber hinaus glaube ich, dass ich mit meinen Kompetenzen auch die SPO selbst bei ihrer Veränderung unterstützen kann. Den Weg von einer Organisation, die Patient:innen hilft, wenn sie schlechte Erfahrungen gemacht haben, zu einer Interessenvertretung, die präventiv versucht, das Gesundheitswesen im Sinne der Versicherten zu verändern, finde ich genau richtig.

Was möchtest du Patient:innen mit auf den Weg geben?
Das klingt jetzt vielleicht etwas platt, aber: Körper, Geist und Seele sind eng miteinander verbunden und bilden zusammen eine Einheit.  Höre auf die Signale, die dir dein Körper gibt. Ich habe das zu lange nicht getan und bin nur mit viel Glück im Unglück noch am Leben. Gestehe dir Schwäche zu, akzeptiere, wenn es dir schlecht geht, gib dir Zeit – und mach es bei anderen genauso.

Vielen Dank, Walter, für dein Wissen und für die Erfahrungen, die du mit uns teilst, um die Stimme der Patient:innen zu vertreten.

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