Der Digitalisierung im Gesundheitswesen wird mitunter grosses Potenzial zugeschrieben, die Behandlung und Betreuung von Patient*innen zu erleichtern und sogar zu verbessern. Hiermit beschäftigt sich auch das Center for Artificial Intelligence in Medicine (CAIM) der Universität Bern, welches kürzlich eröffnet wurde und den Schwerpunkt auf Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin legt.

Die Podiumsdiskussion zur Eröffnung des CAIM, an der auch die SPO vertreten war, hat eindrücklich aufgezeigt: Letzten Endes geht es bei allen technologischen Errungenschaften darum, was den Betroffenen wirklich nützt und erst in zweiter Linie, was technisch machbar ist.

Doch welche Entwicklungen im Gesundheitswesen befinden die Patient*innen für nützlich, was erhoffen sie sich von neuen Technologien? Davon haben wir bislang nur eine leise Ahnung – unter anderem deswegen, weil Patient*innen noch kaum systematisch in diese Entwicklungen miteinbezogen werden. Der Fokus neuer Technologien liegt noch immer stark auf technischen Potenzialen und der Perspektive von Leistungserbringern. Dabei ist es gerade im Zusammenhang mit diesen Technologien wichtig, Hemmschwellen von Betroffenen zu erkennen, ihre Forderungen ernst zu nehmen und künftig bereits während der Entwicklung zu berücksichtigen.

Insbesondere im Hinblick auf die Qualitätssicherung oder auch die Qualitätsverbesserung der Behandlung und Betreuung ist die Perspektive Betroffener von grösster Relevanz.

Der potenzielle Nutzen von KI in der Medizin für Patient*innen ist durchaus gross:

  1. Zusammenführung grosser Datenmengen für eine abgestimmte Prävention und genauere Diagnose.
  2. Entlastung des Personals, welches sich damit mehr auf seine Kernkompetenzen fokussieren kann.
  3. Unterstützung von (insbesondere, aber nicht nur chronischen) Patient*innen im Alltag, z.B. über intelligente und individualisierte Assistenzsysteme.

Trotz dieser Potenziale bleibt eines unbestritten: Eine gute medizinische Behandlung benötigt menschliche Anteilnahme. Nur Menschen können im Gespräch zwischen den Zeilen lesen und nonverbale Informationen wie Mimik, Gestik und Sprachklang interpretieren. Erst mit dieser Art von «Daten» lässt sich die individuelle Wirklichkeit der Patient*innen erfassen und ihre Situation beurteilen.

Möglicherweise geht es bei jeglicher Art von neuer Technologie im Gesundheitswesen weniger um eine Konkurrenz von menschlicher und künstlicher Intelligenz, als darum, wie künstliche Intelligenz wieder mehr Raum und Zeit für die Beziehung zwischen Fachpersonen und Patient*innen ermöglichen kann. Vergessen wir nicht – der Patient als denkendes und fühlendes Subjekt sollte immer Vorrang vor dem Patienten als Objekt und Datengeber haben.